Pferde meines Lebens: Humphrey Bogart

Humphrey Bogart

Im Jahr 1996 durfte ich zum ersten Mal für meine Stute Hyundai einen passenden Hengst aussuchen. Meine Wahl fiel auf den schwarzbraunen, mit vier hochweißen Beinen und einem fast weißen Kopf gefärbten Trakehnerhengst Charly Chaplin.

Im März 1997 kam dann mein und Hyundais erstes Fohlen zur Welt. Wenn der Vater schon den Namen eines großen Schauspielers hatte, sie musste es der Sohn dann meiner Meinung nach auch und ich taufte ihn auf den Namen Humphrey Bogart. Bei seiner Geburt nachts um 2 Uhr waren nur mein Vater und ich dabei.

Ich muss zugeben, dass ich ein bisschen verwundert war, dass aus meiner Rappstute und dem schwarzbraunen Hengst ein goldenes Fuchsfohlen entstanden war. Aber was ist schon die Farbe, wenn der Rest nahezu perfekt ist – zumindest war er genau das in meinen Augen.

Alleine über sein erstes halbes Jahr könnte ich bestimmt ein ganzes Buch schreiben. Schon damals waren wir so eng miteinander verschweißt, dass er beim Putzen seiner Mutter mit den Vorderbeinen auf den Rücken sprang, um mir näher zu sein, wenn sie gerade zwischen uns stand. Und begutachten, was ich da machte, musste er ja auch. Oft saß ich nach der Arbeit in Hyundais Box und klein Bogie lag schlafend mit dem Kopf auf meinen Oberschenkeln.
Als Jährling stand er einen Sommer lang auf einer Hengstkoppel auf der Schwäbischen Alb. Als er zurückkam, war ich geschockt, denn mein einst so schönes Pferd hatte Warzen und Mauke. Die Warzen bekamen wir schnell in den Griff, doch die Mauke sorgte für Entzündungen im Bein, die dazu führten, dass Bogie an Elefantiasis erkrankte. Es folgten viele Diskussionen mit unseren Tierärzten und Bereiterinnen, die ihn ja ausbilden sollten. Jeder sagte etwas anderes. Eine Tierärztin und eine der Bereiterinnen waren auf jeden Fall dafür, ihn zum Schlachter zu bringen. Mein Vater holte sich Tipps und wir beschlossen zu probieren. Manche Mittel halfen, manche nicht. Aber wir schafften es, die Krankheit auf ein Niveau zu bringen, mit dem er Leben konnte.
Bogie war nach wie vor sehr stark auf mich fixiert, folgte mir überall hin und machte alles für mich. Irgendwie hatte ich es so auch geschafft ihn einigermaßen einzulongieren.

Dann kam die Zeit, dass er endlich geritten werden sollte. Da war er dreieinhalb Jahre alt. Die eine Bereiterin weigerte sich ein krankes Pferd auszubilden, obwohl er gut lief und sich mit den angelaufenen Beinen arrangierte. Ich machte einen Termin mit unserer zweiten Bereiterin und Reitlehrerin aus, die sich draufsetzen sollte. Sie kam an diesem Tag mit Hausschuhen aus der Mittagspause und sagte, sie hätte es vergessen, aber ich wäre ja in voller Reitmontur und könne mich draufsetzen. Ich, der größte Schisser im Sattel sollte auf einen rohen Junghenst? Ja, es war ihr Ernst. Ich sah meinen Bogie fragend an und hatte plötzlich ein gutes Gefühl. Nach dem Ablongieren legte ich mich über den Sattel und setzte mich dann auch direkt drauf. Die Reitlehrerin führte mich an der Longe. Er zuckte nicht einmal mit den Ohren. Einige Wochen später, als ich ihn schon regelmäßig ritt, erfuhr ich, dass beide Beteiterinnen bereits ihr Glück probiert hatten, jedoch mit kaputten Reitstiefeln und kleinen Verletzungen kapituliert hatten. Das und viele tausend Kleinigkeiten sagten mir, dass er nicht nur auf dem Papier, sondern mit Herz und Seele MEIN Pferd war.

Nachdem Bogie kastriert wurde, nahmen die angelaufenen Hinterbeine ab und er lief besser über den Rücken. Auch als Wallach durfte er noch eine ganze Weile in einer Hengstbox wohnen. Diese lag am anderen Ende unseres Hofes, war aber vom Fenster unseres Wirtschaftsraumes aus zu sehen. So konnte ich sehen, dass er mir mit seinen Blicken so lange folgte, bis ich im Haus verschwunden war. Da fühlte ich mich auch sicher, wenn ich abends spät noch alleine im Stall war.

Als meine Eltern sich trennten, musste ich 2001 mit Bogie, Monika, Hyundai und Harmony unseren Hof verlassen. Mit den drei Großpferden kam ich im Stall des Reit- und Fahrverein Alzey unter. Der Anfang war aus verschiedenen Gründen nicht einfach für uns und das hatte auch mit Bogies Erkrankung zu tun. Kaum jemand verstand, warum man so ein Pferd am Leben ließ. Immerhin hatte ich ab da gute Tierärzte, die mich unterstützten. Hinzu kam noch, dass Bogie kein einfaches Pferd war. Wenn ich mit ihm alleine war, war er ein Lamm, aber wehe, es waren Zuschauer da und er konnte mich vorführen… Die Ergebnisse waren offene Hände, kaputte Trensen und Halfter und ein kaputtes Hallentor. Wirklich verletzt wurde aber, soweit ich mich erinnere niemand, nicht einmal er selbst.

Mit fremden Menschen und vor allem Männern hatte er es auch nicht besonders gerne zu tun. Das verschaffte mir und auch ihm einige Feinde in einem anderen Stall, in den wir zogen, um die Haltungsbedingungen für ihn mit seiner Krankheit zu verbessern. Leider baute er dort schon sehr bald ab.

Bogie liebte Tiere, die kleiner waren als er. Katzen fand er super, vor allem, wenn er seine Nüstern in ihr Fell stecken konnte, wenn sie auf der Bande der Reithalle schliefen. Warum sie dann kreischend weggelaufen sind, verstand er allerdings nicht. Sein bester Freund war Steffens und mein erster gemeinsamer Hund Leon. Die beiden leckten sich immer gegenseitig die Köpfe ab.

Im Jahr 2013 stand er eines Tages in seiner Box und „sagte“ mir, dass er keine Lust mehr zu leben hatte. Am 7. Februar wurde er dann in meinem Beisein eingeschläfert. Es war mir eine Ehre für dieses eigenwillige und doch besondere Pferd der erste und letzte Mensch in seinem Leben gewesen zu sein.

Bis heute bin ich der Überzeugung, dass er diese Krankheit nur bekam, um bei mir bleiben zu dürfen. Qualitativ wäre er als gesundes Reitpferd auf einem viel zu hohen Niveau für mich gewesen.

Humphrey Bogart hat mir, mehr als alle anderen Pferde in meinem Leben, beigebracht mich durchzusetzen. Sowohl bei anderen Pferden, als auch Menschen gegenüber, die glauben, mir ihre Meinung aufschwatzen zu müssen.
Er konnte Menschen bis tief in die Seele schauen, auch ich spürte das immer wieder, wenn er mich nur ansah. Wenn ich auf seine Gestik bei der ersten Begegnung mit fremden Menschen achtete, wusste ich immer, ob sie gut oder schlecht für mich waren. Mein Mann hatte Glück, er bestand die Prüfung. ?

Danke Bogie für jeden einzelnen Tag!

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